Warum konnte sich mobile.de so stark von Autoscout absetzen?

Der Wettbewerb zwischen mobile.de und Autoscout erinnert an die Betrachtungen zu Facebook und MySpace beziehungsweise Stepstone und Monster: Es entsteht der Eindruck, als ob nicht zuletzt die Fehler der Konkurrenten für den Ausgang des Rennens verantwortlich waren.

Aber beginnen wir mit einer Grundsatzfrage: Handelt es sich hier überhaupt um einen „The Winner takes ist all“-Markt? Autoscout-CEO Tobias Hartmann verneint das (wohl nicht ganz uneigennützig) im Handelsblatt: „Es gibt eine klare Nachfrage nach einer starken Nummer zwei, weil deutsche Händler es hassen, auf einen Anbieter angewiesen zu sein und keine Wahl zu haben.“

Doch was sagen die Zahlen? Betrachtet man nur die Zugriffe aus dem deutschen Inland, so bringt es Autoscout im Januar 2020 auf 37 Millionen Visits, während es bei mobile.de mit 78 Millionen Visits mehr als doppelt so viel sind. Auch wenn das nicht zwangsläufig ein Quasi-Monopol ist, so ist es doch nahe dran.

Der Abstand war jedoch nicht immer so groß. Mobile lag schon leicht vorne, als man dort 2003 beschloss, Privatanzeigen nicht mehr kostenfrei anzubieten. Dies führte dazu, dass der Fahrzeugbestand von Autoscout mehr oder weniger umgehend an dem von mobile.de vorbeizog. 2007 wurde die Entscheidung schließlich korrigiert, weil sonst der Verlust der Marktführerschaft gedroht hätte. Nur warum konnte Autoscout dies vier Jahre nicht nutzen, um sich abzusetzen? Weshalb wurde der Abstand sogar so viel größer?

2004 war ein Schlüsseljahr für die beiden Companies. Zum Jahresbeginn übernahm die damalige Telekom-Tochter T-Online die Scout24 AG für 180 Millionen Euro von der Beisheim Holding. Teil des Paketes war Autoscout24, 1998 als mastercar.de gestartet und im Folgejahr als Autoscout24 in die Scout-Gruppe integriert. Und nur kurz nach der Scout-Übernahme konnte ebay den Bieterwettbewerb (unter anderem gegen Yahoo und die ISA, ein Gemeinschaftsunternehmen deutscher Verlage) um mobile.de für sich entscheiden. Für 121 Millionen wechselte die 1996 von Vijay Sapre und Ralf Prehn gegründete Autobörse an das Auktionshaus.

Dabei schien mobile.de sein neuer Eigentümer deutlich besser zu bekommen als das bei Autoscout der Fall war. Vieles aus der Telekom-Ära bei Autoscout erinnert an das, was ich in meinem Beitrag über Facebook als Whitespace-Faktor beschrieben habe.

Bald gingen nicht Mitglieder der obersten Führungsebene, sondern auch mehrere leitende Mitarbeiter. Managing Director Peter Schmid wechselte sogar 2006 als CEO zu Mobile, und einer seiner Nachfolger, Markus Hinz, ging nur ein Jahr später zu Google. (Demgegenüber prosperierte der ebenfalls zur Scout-Gruppe gehörende Immobilienscout im selben Zeitraum richtig gut – auch dank mutigem Marketing wie dem Sponsoring der ersten Big Brother-Staffel – und konnte die Wettbewerber Immowelt und Immonet auf Abstand halten. Immoscout gehörte im Unterschied zu Autoscout zum Zeitpunkt der Übernahme nicht komplett, sondern nur mit 33,1 Prozent zur Scout24 AG. Die Telekom erwarb hier keinen Durchgriff. Erst als die anderen Gesellschafter Aareal Bank, Morgan Stanley, J.H. Whitney und die Gründer 2007 ebenfalls an die Telekom verkauften, verabschiedete sich dort das Führungsteam um Arndt Kwiatkowski.)

Doch auch in diesem Markt ist mit Sicherheit nichts für die Ewigkeit. Gerade die nächsten Jahre könnten für die Kfz-Marktplätze besonders interessant werden: Während Scout24 gerade Autoscout und Finanzcheck an die Finanzinvestoren von Hellman & Friedman verkauft hat, hält ebay nach einem Käufer für Mobile Ausschau. (Angeblich sind Springer, Naspers und Blackstone im Rennen.)

Und parallel steht mit der Auto1-Gruppe (wirkaufendeinauto.de) jetzt auch noch ein weiterer ernstzunehmender Player auf dem Spielfeld. Die Bewertung des Startups stieg 2018 durch den Einstieg der japanischen Softbank auf 2,9 Milliarden Euro. (Zum Vergleich: Das ist auch der Preis, der 2019 für das Paket aus Autoscout und Finanzcheck gezahlt wurde.) Interessanterweise handelt es sich dabei um einen Disruptor, der im Gegensatz zum gerade vorherrschenden Plattform-Hype keinen Marktplatz baut, sondern Gebrauchtwagen aufkauft, um sie danach weiterzuverkaufen.

Update 21.7.2020: Schibstedt kauft mobile.de.

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