Wie konnte Facebook alle anderen Communities schlagen?

Die Dinge wiederholen sich: Nachdem Google in nur anderthalb Jahren Altavista vom Thron gestoßen hatte, brauchte Facebook vier Jahre (von seiner Gründung 2004 bis 2008), um den „early winner“ MySpace zu überholen (der zuvor Friendster abgehängt hatte). Danach wurde MySpace ebenso zu pulverisiert wie zahlreiche Marktführer in anderen Ländern, darunter das deutsche StudiVZ (Wer kennt noch „gruscheln“?). Waren hier auch dieselben Faktoren ausschlaggebend wie zuvor bei Google?

Aber der Reihe nach: Im Februar 2004, nur ein halbes Jahr nach MySpace, gegründet, war Facebook (oder thefacebook wie es damals noch hieß), erst einmal ein exklusives Angebot für die Harvard-Studenten (was dazu beitrug, dass nach einem halben Monat 50 Prozent der Harvard-Studenten einen Account hatte). Und danach öffnete sich die Community nicht gleich für die ganze Welt, sondern zuerst sukzessive für andere Universitäten und einzelne Unternehmen. Erst einmal im eigenen Umfeld beziehungsweise in wichtigen Kernmärkten für eine sehr guten Marktdurchdringung zu sorgen, ist sicherlich die bessere Strategie, als eine Software nur ins Netz zu stellen und abzuwarten. Aber das führte auch dazu, dass MySpace (das sich statt auf Studenten erst einmal auf Musikfans konzentrierte) bereits 100 Millionen Mitglieder hatte, bevor Facebook für jedermann (über 13 Jahre und mit einer gültigen Mailadresse) zugänglich war.

Und wie gelang dann doch noch die Aufholjagd? Bei Facebook gab es wie bei Google tolle Ideen, von denen die Erfindung des Newsfeeds (Scrollen statt Page-Impressions maximieren!) vielleicht die beste war, dicht gefolgt von der frühen Konzentration auf „mobile“ (die wiederum vom Vorhandensein des Newsfeeds profitierte). Beides wurde aber schnell von Wettbewerbern adaptiert. Deshalb halte ich einen ganz anderen Grund für entscheidend, und dieser wird in einem Forbes-Beitrag von Adam Hartung besonders gut auf den Punkt gebracht: MySpace war im Juli 2005 von Rupert Murdochs News Corporation übernommen worden und Hartung schreibt: „News Corp tried to guide MySpace, to add planning, and to use „professional management“ to determine the business’s future.“ Demgegenüber sieht er bei Facebook das, was er als „White Space“-Management bezeichnet: Während die Konzernstrukturen der News Corporation dazu führten, dass bei MySpace an strategischen Powerpoint-Präsentationen gewerkelt wurde, hatte Zuckerberg keine in Stein gemeißelte – oder von einem Konzern vorgegebene – Strategie, sondern lies den Markt („Wollt Ihr Farmville?“) entscheiden, in welche Richtung sich die Community entwickelte. „And that’s the nature of White Space management. No rules. Not really any plans.“ Und das machte den Unterschied. In die selbe Richtung geht ein Statement des ehemaligen Managing Partners von Facebook, Sean Parker, der in einem Youtube-Video (ab Minute 13) sagt, dass Facebook ohne die Management-Fehler bei MySpace nie eine Chance gehabt hätte.

War das dann auch der Grund, warum Facebook 2011 den deutschen Platzhirsch StudiVZ überholte? Immerhin gibt es Parallelen: StudiVZ war zuvor ebenfalls zwei Jahre nach seiner Gründung von einem Medienkonzern, der Holtzbrinck-Gruppe, übernommen worden. (Während die News Corporation 2005 noch 580 Millionen Dollar für MySpace gezahlt und das Angebot sechs Jahre später für 35 Millionen Dollar an Specific Media veräußert hatte, zahlte Holtzbrinck 2007 angeblich 85 Millionen Euro für StudiVZ, das 2012 zu einem unbekannten, aber wohl kaum nennenswerten Preis an Vert Capital ging, bevor es 2017 beerdigt wurde. Der Vollständigkeit halber: Bei den 2005 gegründeten Lokalisten stieg 2006 ProSiebenSat1 ein und hielt das Angebot noch bis 2016 am Leben, während sich RTL 2008 an dem zwei Jahre zuvor gegründeten Werkenntwen? beteiligte, aber schon 2014 die Totenglocken läutete.)

Nein, aus meiner Sicht hätte selbst das beste „White Space“-Management die StudiVZ-Netzwerke nicht retten können. Denn Freundschaften sind nun einmal nicht auf einzelne Länder begrenzt. Deshalb braucht es ein internationales Netzwerk und da greift nun ein weiterer Faktor, der Standort-Faktor: Im Kampf um die weltweite Marktführerschaft im Internet hat ein US-amerikanischer Marktführer aufgrund des deutlich größeren Heimatmarktes immer eine größere Marktmacht und Kriegskasse als ein deutscher Marktführer. Wer den US-amerikanischen Markt aufrollt hat im Zweifelsfall immer die vierfache Reichweite (und den vierfachen Umsatz) von dem, der im deutschen Markt dieselbe Position hat. Und bei einer globalen Community kommt noch hinzu, dass man es eigentlich nicht nur mit dem Marktführer eines Landes, sondern des gesamten englischen Sprachraums zu tun hat, was das Ungleichgewicht für den deutschen Player noch einmal verstärkt.

Aber: Welche Faktoren sollte dann die nächste große Community nutzen, um den gerade schwächelnden Winner Facebook zu beerben? Nun, auch hier gibt es noch einmal eine interessante Parallele zu Google: Da Google viel mächtiger wurde als alle Suchmaschinen der vorherigen Ära, konnte es sich leisten, Youtube – den schärfsten Wettbewerber, der bisher aufkam – aufzukaufen. Und ebenso hat Facebook längst eine viel größere Marktmacht als alle Communities zuvor. So konnte der Konzern aus Menlo Park ebenfalls alles aufkaufen, was ihm gefährlich erschien – 2012 war es Instagram, 2014 Whatsapp und Oculus.

(Bildrechte: Museum Weißenfels – Schloss Neu-Augustusburg, CC BY-NC-SA)

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