In fast allen Bereichen der digitalen Ökonomie hat sich ein Champion herausgeschält, der dabei ist, seine Verfolger abzuhängen oder dieses Ziel bereits erreicht hat. Meist war es der potente internationale Marktführer: Facebook, ebay und Booking haben beispielsweise StudiVZ, Ricardo und HRS abgedrängt. Nicht in dieses Bild passt die Entwicklung bei den Business-Netzwerken. Der internationale Marktführer Linkedin bearbeitet schon seit Februar 2009 den deutschen Markt, hat hier auch fast dieselbe Mitgliederzahl wie der einheimische Wettbewerber Xing, diesen aber noch immer nicht überholen können.
Wieso hat hier nicht wie bei StudiVZ und Facebook ein viel stärkerer Run zu der internationalen Plattform eingesetzt, auf der ich auch meine Freunde beziehungsweise Geschäftspartner aus anderen Ländern finde? Macht Linkedin etwas schlechter beziehungsweise macht Xing etwas besser?
Ein erster Gedanke wäre da die Suchmaschinenoptimierung. Xing hat hier schon lange einen richtig guten Job gemacht. Noch immer steht bei vielen Personen, die auf beiden Plattformen aktiv sind, das Xing-Profil in den Serps vor dem Linkedin-Eintrag. Aber das reicht als Erklärung sicher nicht aus.
Interessant erscheint mir die „kulturelle Passung“. Während Xing lange auf den klassischen Lebenslauf und Features wie Geburtstagsgrüße setzte, pushte Linkedin eher das Thema „Kenntnisse“ und deren Bestätigung durch die eigenen Kontakte. Ein Ansatz, der aus meiner Sicht der amerikanischen Mentalität näher ist als der deutschen. Ähnliches gilt für die teilweise penetranten Versuche von Linkedin auf die Kontaktdaten der Mitglieder zuzugreifen.
Wird sich Xing dadurch retten können? Die ONline-Marketeers, mit denen ich sprach, sehen allenfalls ein längeres Zeitfenster für Xing, bis früher oder später doch Linkedin auch in Deutschland zum beherrschenden Business-Netzwerk wird. Aber das muss nicht das Ende von Xing bedeuten, welches ja auch wirtschaftlich sehr erfolgreich agiert. Wahrscheinlicher ist, dass die Gesellschaft dann in benachbarten Bereichen Gewinne einfahren wird. Schlecht ist die Ausgangslage dafür jedenfalls nicht, etwa durch die Übernahme von Honeypot (2019), der Recruiting-Plattform für IT-Kräfte, von Kununu (2013) oder der Event-Plattform Amiando (2010), welche den Grundstock für Xing-Events bildete.