Und noch ein monopolähnlicher Markt: Bei den Markplatz-Seiten für Kleinanzeigen ist ebay-Kleinanzeigen der Platzhirsch. Die Wettbewerber Markt.de und Quoka liegen laut Similarweb (Dezember 2019) nur bei rund 15 bzw. 10 Prozent der Reichweite des Marktführers.
Blickt man zurück, um die Ursachen zu erforschen, so landet man schnell im für die deutschen Kleinanzeigenmärkte zentralen Jahr 2005. In diesem Jahr gründet ebay (das zuvor bereits im Auktionsmarkt ein Quasimonopol aufgebaut hat, unter anderem indem in Deutschland dank Cash-Faktor von den Samwer-Brüdern die damalige Nummer Eins Alando aufgekauft wurde, und am Ende zahlreichen Konkurrenten wie Ricardo, Offerto oder Atrada keine Chance ließ) neben seinen Auktionsplattformen in mehreren Ländern Kleinanzeigenmärkte, die alle den Namen Kijiji tragen. In diesem Umfeld entschließt sich die ISA (damals ein Gemeinschaftsunternehmen der Verlagsgruppen Holtzbrinck, Funke und Ippen, welches bereits Portale für Immobilien-, Stellen- und Autoanzeigen betreibt) unter der Domain markt.de ebenfalls einen Kleinanzeigenmarktplatz zu starten. (Inzwischen wurde die ISA in Marktgruppe umbenannt, beherrscht wird das Unternehmen heute von den Gesellschaftern Ippen und Rheinische Post.) Und bereits zum Jahresanfang 2005 hatte die Vorarlberger Mediengruppe Russ die Quoka GmbH im hessischen Lampertheim übernommen. Deren Ursprung lag in so genannten Offertenblättern wie „Sperrmüll“, die am Kiosk verkauft wurden und ausschließlich Kleinanzeigen aus der jeweiligen Region enthielten. Unter quoka.de wurden die Digitalaktivitäten aller Offertenblätter der Gruppe (die teilweise noch bis 2011 in gedruckter Form erschienen) gebündelt.
Wie wurde der Wettbewerb zwischen diesen drei Plattformen (und so manch weiteren wie dhd24.de oder Kalaydo) nun entschieden? Während die Marktplätze der Verlagsgruppen meist nur in den Teilen des Bundesgebietes sichtbar waren, in denen auch die Printprodukte der Gesellschafter erschienen, konnte die ebay-Tochter stets das ganze Bundesgebiet bespielen. Dabei wurde unter anderem ein Erfolgsrezept eingesetzt, das schon bei den Auktions-Plattformen für viel PR und damit kostenfreies Marketing gesorgt hatte: Aufsehenerregende Angebote kommunizieren! War es bei Alando ein Ferrari mit einem Startpreis von einer Mark und bei ebay Deutschland ein Golf mit dem Papst als Vorbesitzer gewesen, so konnte das Kleinanzeigenportal mit dem Dreimaster „Alexander von Humboldt“ aus der Beck’s-Werbung und einem Waggon der Wuppertaler Schwebebahn punkten. Noch wertvoller als diese PR, die Verlinkungen auf ebay.de und das Werbebudget der Konzernmutter dürfte aber die 2009 erfolgte Umbenennung der deutschen Kijiji-Präsenz in ebay-Kleinanzeigen gewesen sein. Der Name des bereits im Markt eingeführten Brands ebay, mit dem schon so viele Internetnutzer positive Erfahrungen gesammelt hatten, befeuerte das Geschäft nachhaltig.
Und noch ein anderer Aspekt ist in diesem Kontext spannend: In anderen Beiträgen dieses Blogs war es schon darum gegangen, dass der Siegeszug von Facebook in den USA ohne die Fehler, die gleichzeitig bei MySpace gemacht wurden, kaum möglich gewesen wäre, und dass der deutsche Stellenmarkt Stepstone von den Patzern bei Monster profitierte. Bei den Kleinanzeigenmärkten und Craigslist lief das Ganze aber noch viel kurioser ab: Dass die deutschen Seiten von Craigslist nie eine Rolle spielten, lag nicht etwa an Missmanagement, sondern an Nicht-Management. Auf der einen Seite ist Craigslist „die“ Kleinanzeigenbörse in den USA (Similarweb listet das Angebot auf Platz 15 der in den USA meistgenutzten Seiten, gleich hinter ebay und Walmart) und hat dort Kijiji geschlagen, auf der anderen Seite gibt es auch eine deutsche Version, die aber seit Jahren den Eindruck erweckt, als hätte sich nie jemand darum gekümmert. Was höchstwahrscheinlich auch der Wahrheit entspricht. Denn obwohl die Seite sicherlich das Potenzial gehabt hätte, den Markt in anderen Ländern aufzurollen, betonte Gründer Craig Newmark stets in allen Interviews, dass er überhaupt kein Interesse daran habe, seine Company noch erfolgreicher zu machen und mehr Geld zu verdienen, weil das nicht sein Lebensziel sei. (Das Interview, das Holger Schmidt 2007 für die FAZ mit Craig Newmark führte, gehört für mich noch immer zu den erfrischendsten Gesprächen, die je mit einem Startup-Gründer geführt wurden!) Somit verdankt ebay-Kleinanzeigen seinen Erfolg in Deutschalnd auch ein Stück weit der Unlust von Craig Newmark.
Aber wie geht es weiter? Bleibt ebay-Kleinanzeigen gesetzt oder kann ihm jemand gefährlich werden? Zumindest in einem seiner wichtigsten Geschäftsbereiche – nämlich der Second-Hand-Bekleidung – ist mit Kleiderkreisel ein ernstzunehmender Wettbewerber entstanden. Um ebay-Kleinanzeigen wirklich vom Thron zu stoßen, müsste man aber noch in andere Märkte einsteigen, und da ist der Name „Kleiderkreisel“ eher ein Hindernis. Von daher – und natürlich aufgrund der schon heute wirklich beachtlichen Verbreitung in Deutschland und Großbritannien – dürfte die Wiener Kleinanzeigen-App Shpock (die mittlerweile zu 100 Prozent dem norwegischen Medienkonzern Schibsted gehört) eine wesentlich größere Gefahr darstellen. Die beste Ausgangslage hat aber das 2017 auch in Deutschland gestartete Marktplatzangebot von Facebook. Dieses kann von Bekanntheit und Marketing-Power der Muttermarke Facebook profitieren wie einst ebay-Kleinanzeigen von ebay. Hierzu müsste sich Facebook aber wohl entscheiden, dem eigenen Marktplatz – vor allem in den mobilen Angeboten – zu noch mehr Sichtbarkeit zu verhelfen.
Update 21.7.2020: Schibstedt kauft ebay-Kleinanzeigen.